Rezensionen zu
Eine heimliche Liebe. Lucile Swan und Teilhard de Chardin.

 

„Eine  heimliche Liebe“ nennt der Biograph und Teilhard-Forscher Günther Schiwy sein Buch […], das sich wesentlich auf 1993 in den USA publiziertes Material aus dem Nachlaß von Swan stützt. EinTitel, der voyeuristische Neugier wecken kann: Enthüllungen aus zölibatären Schlafzimmern? Ach nein – Schiwy, der übrigens selbst Jesuit war, versteckt nur die Liebesbeziehung nicht unter dem Etikett „Freundschaft“. Denn darunter litt Lucile Swan ja bis zum Tod: Daß ihr Pierre sich nicht öffentlich zu ihr bekannte. „Ich liebe täglich vollkommener“, schrieb sie 1934 in ihr Tagebuch. „Er ist der Mann, den zu finden ich mein ganzes Leben lang geträumt habe, doch warum hat sich Gott dabei jenen kleinen Witz erlaubt und ihn zum Priester gemacht!“ Ihr Sehnen, ihr  glühendes Hoffen nach einem Treffen oder einem hymnischen Satz in einem seiner Briefe, ihr Schmerz, wenn er en passant von einer anderen Frau erzählte, ihr Aufbegehren und verletztes Verzichten, ihre Verzweiflung, als nicht sie es sein konnte, die an seinem Ende bei ihm war: Das dokumentiert dieses Buch auf erschütternde Weise; und wer über den Zölibat diskutiert, sollte auch Lucile Swan lesen. Und Teilhard? Er ringt mit seiner amour  fou in einem theologischen Kontext, der weit über die Fragen von Ehelosigkeit und Ordensgehorsam hinausgeht. Und kann sich doch nicht über sie hinwegsetzen. „Das Weibliche“ beschäftigte ihn seit seiner Jugend. Nicht nur als Irritation seiner als Keuschheit gedachten Männlichkeit, sondern als die Kraft, die den Dualismus von Geist und Materie überwindet. Und die Liebeserfahrung mit Lucile, der er mit knapp 50 begegnet war, ging ein in sein Denken einer Evolution des größeren Bewußtseins: Die „wahre Vereinigung, die Geistes- und Herzensvereiniung, über-personalisiert“ die Partner. Zwischen der Ehe im traditionellen Sinn und dem Verzicht auf die Frau suchte er nach einem dritten – nicht mittleren, sondern höheren – Weg der „Amorisation“. So faszinierend seine Thesen über die „Einmütigkeit in ein und demselben Geist“ als Liebesgebot für das eben beginnende Zeitalter der Globalisierung sind, so konstruiert erscheint in den Augen Luciles eine Liebe, die den Sex hinter sich läßt. Und die Frage bleibt,  wie viel der gedanklichen Kühnheit dieses großen Liebenden die Sublimierung erzwungen hat.

GABRIELE SCHODER in Badische Zeitung, 29. 3. 2005

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Ein Buch über Sex und keine einzige erotische Szene? Ein Buch über eine große Liebe und nicht ein einziger inniger Kuß? Ein Buch über Menschen von Fleisch und Blut, die in so genannten modernen  Zeiten, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, gelebt haben, sich über drei Jahrzehnte sehr nahe waren, aber dennoch niemals sich lustvoll umarmten. [...] Günther Schiwy, der selbst 18 Jahre lang jesuitischer Theologe und Priester war, hatte bereits in früheren Büchern den von seiner Kirche wenig geliebten und von ihr in die Diaspora nach China geschickten Teilhard – ein französischer Jesuitenpriester, weltweit tätig gewesener Geologe und Visionär einer neuen Zeit, in der der Weg zum „Kosmischen Christus“ gefunden wurde -  in den  Mittelpunkt gestellt. Er wußte auch von der amerikanischen Malerin Lucile Swan, konnte aber erst jetzt das minutiös recherchierte Buch schreiben, nachdem in den USA  ein Teil des Briefwechsels der Liebenden und Ausschnitte aus dem Tagebuch der Malerin veröffentlicht worden sind. Es ist ein Buch, das den Leser in seinen Bann zwingt, ihn aber auch quält. Mehr als dreißig Jahre hatte Teilhard der wichtigsten Frau seines Herzens – es gab noch eine Reihe anderer – versichert, ihre Liebe werde ihr ganzes Leben halten, aber dennoch in immer neuen theologisch-philosophischen Rösselsprüngen ihr die „Quadratur des Kreises“ nahe zu bringen versucht. Überhöht in Gott sollte ihre Liebe sein, sollte sie „zu immer besseren Menschen machen“, sollte ein lebendiges Beispiel sein für die Transzendierung des Fleisches. Sein Keuschheitsgelübde interpretierte er unorthodox, doch brechen würde er es nicht.  Lucile Swan wurde von ihren Gefühlen ständig hin und her geworfen. Immer wieder einmal „explodierte“ sie, konnte nicht verstehen, daß sie den geliebten Mann nicht in den Armen halten durfte. Auch Teilhard wurde immer wieder irre an der Richtigkeit seiner Vision, schrieb gelehrte Abhandlungen über Keuschheit, Weiblichkeit und Jungfräulichkeit, mit denen er seine Kirchenoberen ärgerte. Für den Autor Günther Schiwy ist in dieser leiblich-geistigen Auseinandersetzung der Kern für ein neues, ideales Weltbild enthalten, die „Globalisierung der Liebe“  im Sinne des „Kosmischen Christus“.

INGRID ZIMMERMANN in Starnberger Süddeutsche Zeitung, 6. 4. 2005

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Menschlich gesehen „in der Wüste“ lernt Teilhard de Chardin die amerikanische Bildhauerin Lucile Swan kennen – aus dieser Begegnung ergibt sich eine lange Liebesgeschichte auf  hohem platonischen Niveau. Die Vereinsamung des Hochbegabten mit charismatischer Ausstrahlung zieht
nicht nur Lucile in seinen Bann. Diese Verstrickungen waren im Detail nicht bekannt, als Teilhards deutscher Biograph Schiwy (ehemaliger Jesuit mit Insider-Kenntnissen) 1981 sein  zweibändiges Werk veröffentlichte. Jetzt trägt er in einer Brief-Dokumentation die komplexe Konstellation nach: Der Ordensmann, der an den Gelübden festhält, doch die Nähe der Frauen zum Überleben braucht, wird diesen – und sich selbst – nicht gerecht: In evolutionistischen Visionen entwirft er nicht weniger als eine künftige Überwindung des Sexuellen und mutet Lucile, die ihn heiraten möchte, die Vorwegnahme dieser Utopie zu. Pikanterien  bietet Schiwy nicht, doch führt er seine Leser zu Schattenseiten des Zölibats, die für Teilhard und die ihn verehrenden Frauen in Ausweglosigkeit endeten.

GERHARD ADLER in SWR, Kulturelles Wort, April 2005

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Ein rührendes und berührendes Buch erfüllt den Leser, ja, wie soll man sage – mit Liebe...

Polizeispiegel Mai 2005

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G. Schiwy erweist sich hier als profunder Kenner und feinsinniger Analytiker einer heiklen Beziehung [...] Obwohl sich diese Beziehung über ein Vierteljahrhundert erstreckte, wurde sie lange aus Rücksicht auf den Ruf des Jesuiten verschwiegen [...] eine intensive, sublime Beziehung  zweier Menschen, die auf höchstem geistigen Niveau bei voller Respektierung ihrer gegenseitigen Freiheit einer mystischen Vereinigung in Gott zustreben, wobei Schiwy klar zeigt, daß der Verzicht aufseiten der Frau schwerer wiegt, aber auch deutlich macht, wie weit Teilhards Denken seine eigene Lebenspraxis, die strenge Bindung an das Ordensgelübde, übersteigt. Das Buch [...] illustriert sehr anschaulich, wie Mann und Frau aufeinander verwiesen, zur Vervollkommnung der Schöpfung in Christus beitragen  können. Zielgruppe: Anhänger des Werks von Teilhard; Partner, die nach einer Vergeistigung ihrer Beziehung streben.

IRMTRAUT LETZNER in Bücherbord, Juni 2005

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Der französische Paläontologe und Jesuit Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) hat sich nicht nur mit seinem Versuch, das christliche Denken mit der Evolutionstheorie zu versöhnen, an den Rand der Kirche begeben. Auch seine Beziehungen zu Frauen, insbesondere zur amerikanischen Bildhauerin Lucile Swan (1890-1965), öffnet ein Kapitel privater Lebensführung, das in der katholischen Dogmatik keinen Raum fand. [...] Günther Schiwy geht den Spuren dieser Liebe nach. Er rekonstruiert den von Teilhard und Lucile versuchten „dritten Weg“  zwischen der Ehe und dem von Ordensgelübde und Zölibatsversprechen geforderten Verzicht.

Neue Zürcher Zeitung, 30. 7. 2005

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Schiwy porträtiert diese „mystische Liebesgeschichte“ im Kontext von Teilhards Vision und seinen tief greifenden Erkenntnissen über Sexualität und Liebe. Im Anbruch des Zeitalters der Globalisierung ist Teilhard davon überzeugt, daß die Zukunft davon abhängt, daß jeder einzelne Mensch zur Intensivierung der Liebe beiträgt, so daß die Menschheit sich vereinen und höhere Ebenen von Verbundenheit erreichen kann. [...] Schiwys kritische Darstellung erlaubt dem Leser, Teilhards Bestreben  zu verstehen, eine neue Mystik zu finden, deren Grundlage die zwischenmenschliche Verbundenheit ist. [...] Schiwy schafft es, diese menschliche und ethische Fragestellung mit einer großherzigen und weitsichtigen Perspektive zu betrachten. Obwohl er Swans schwierige Situation nachempfindet, überläßt er es dem Leser, darüber zu entscheiden, ob Teilhard und Swan tatsächlich nach der höheren, mystischen Einheit strebten, der sie sich verpflichtet hatten. Was dieses Buch bewegend und auch aufwühlend macht, ist, daß es keine einfachen Antworten gibt. Und doch ist die Tatsache bemerkenswert, daß dieser Mann und diese Frau ihr Leben lang an ihrem Versuch festhielten, eine neue Beziehungsform zu verwirklichen, ohne dabei jemals ihre tiefe Verbundenheit in Frage zu stellen. Sie waren  Pioniere auf noch unbekannten Wegen und stellen uns damit vor eine reale Herausforderung: den wahren Sinn von Beziehungen, in denen Intimität auf Bewußtseinsentwicklung jenseits persönlicher Verliebtheit gründet, weiter zu erforschen.

RENATE KELLER in What is Enlightenment? Herbst 2007