Rezensionen zu
Birgitta von Schweden. Mystikerin und Visionärin des späten Mittelalters. Eine Biographie.

 

After having written standard biographies of Teilhard de Chardin and J. von Eichendorff,  Schiwy must rank as an experienced biographer. The present book is based on Birgits’ pilgrimages stroughout Europe, and these travels provide the opportunity for dealing with medieval theology, ecclesiastical life and lore in an elegant and informative way. The result is a most attractive book, rich in illustration (84 in number). The book includes a chronological table, notes and a detailed bibliography.

Internationale Zeitschriftenschau für Bibelwissenschaften und Grenzgebiete, Nr. 49/2002   

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Günther Schiwy legt mit dem vorliegenden Band eine kritische und mit großer Sachkenntnis gearbeitete Biografie vor, die Birgitta als Spiegel der spätmittelalterlichen Glaubens- und Lebenswelt (Gottesgnadentum, Verpflichtung zum Kreuzzug) und als unkonventionelle Mystikerin auch für unsere Zeit verständlich macht.

KARL KRENDL in bn. Bibliotheksnachrichten, 4/2003

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Die Biographie zeichnet sich durch immense Gründlichkeit aus. Günther Schiwy beruft sich nicht nur auf die unmittelbaren Quellen und die aufgezeichneten „Offenbarungen“, sondern führt verläßlich in die geschichtlichen Zusammenhänge und Hintergründe ein. Die nordische Mission wird dabei ebenso berücksichtigt wie die Geschichte der großen Orden, das Wallfahrtswesen, der Reliquienkult. Immer wieder werden Exkurse angeboten über das Ablaßwesen, die Frauenmystik, den Konflikt zwischen Kaiser und Papst, die politischen Streitigkeiten der oberitalienischen Städte. Auch die Grenze und innere Problematik der Heiligen wird nicht verschwiegen: ihre Abwertung der Ehe, die Überbetonung der Jungfräulichkeit, ihr Sündenverständnis der sexuellen Lust (auch in der Ehe). Daß ausgerechnet eine Ehefrau und Mutter solche Positionen vertritt, ist für heute schwer nachvollziehbar. Aber auch sie war nur einmal ein Kind ihrer Zeit, auch wenn sie in vieler Hinsicht einen schärferen Blick und ein besseres Urteil hatte

OTTO BETZ in Christ in der Gegenwart, 15. Juni 2003

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Pünktlich zum Jubiläum hat der frühere Verlagslektor, Theologe und Buchautor Günther Schiwy eine Birgitten-Biographie veröffentlicht, mittels derer sich die Wissenslücken  problemlos schließen lassen. Schiwy hat sich für eine verständliche und kurzweilige Perspektive entschieden, indem er eine Art Zusammenschau aus Lebenszeit und –raum und Birgittas Selbstzeugnis präsentiert. Historisches und Legendäres wird erläutert und mit Schilderungen aus Birgittas Offenbarung zusammengebracht, um beides wechselseitig zu beleuchten. Auf diese Weise klären sich beim Lesen viele Fragen, die uns Heutige ansonsten befremdlich anmuten mögen: etwa Birgittas Angst vor einer endzeitlichen „Zeitenwende“, die sich im Strafgericht der Pest anzukündigen scheint, ihre Überzeugung der „verbotenen (sexuellen) Lust“ (Schiwy charakterisiert die Mutter von acht Kindern als „Ehefrau mit schlechtem Gewissen“). So wird deutlich, wie sehr Birgitta ein Mensch ihrer Zeit war, spiegeln doch ihre „geistlichen Probleme“ die religiösen Vorstellungen wie die kirchlichen Traditionen des späten Mittelalters. Ebenso wichtig ist ihre Herkunft aus dem schwedischen Hochadel. „Birgittas Leben wird erst verständlich, wenn man sich vor Augen hält, daß sie in einer Gesellschaft aufwuchs, die ritterlich geprägt war“, schreibt Schiwy. „Birgitta selbst fühlte sich zeitlebens nicht nur als Braut Christi, sondern auch als seine ritterliche Gefährtin im Kampf gegen Ungerechtigkeit, Unglauben und Unsittlichkeit.“ Vor dem Hintergrund und Einfluß der Kreuzzugsfrömmigkeit erklärt sich Birgittas Selbstverständnis und Selbstbewußtsein ebenso wie die Chancen und Grenzen ihrer sozialen und (kirchen-)politischen Mission. „Birgittas Leben und Werk, gerade wenn man sie ungeschminkt zu sehen versucht, sind auch heute noch aktuell“, schließt Günther Schiwy seine Biografie. In Anbetracht der Tatsache, daß die weltweite Anerkennung und Durchsetzung sowohl von wirtschaftlicher und politischer wie religiöser und kultureller Gerechtigkeit und Gleichberechtigung noch aussteht, kann Birgitta durchaus noch Mitstreiter(-innen) gebrauchen.

BRIGITTE BÖTTNER in Konradsblatt, 20 Juli 2003

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Es gelingt dem Verfasser, ein umfassendes Bild von Birgitta zu zeichnen. Dabei  zitiert er ihre Offenbarungen so reichlich, daß die Zitate sicher zwei Drittel des Textes ausmachen. [...] Manches ist etwas ungenau, so Birgittas Einschätzung des Ablasses, manche Jahreszahlen stimmen nicht.[...] Das alles aber mindert nicht den Wert des Buches, durch das man eine im anschauliche und zuverlässige Darstellung des Lebens und Wirkens dieser bemerkenswerten Frau des Spätmittelalters erhält.

KARL HERMANN KANDLER in Lutherische Theologie und Kirche, August 2003

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Der durch seine Arbeiten zu Teilhard de Chardin und Eichendorff bekannt gewordene Theologe Günther Schiwy legt zum 700. Geburtstag eine  gründlich recherchierte, spannende Biographie über Birgitta vor. Anschaulich beschreibt er darin die damaligen Chancen und Grenzen einer öffentlichen Wirksamkeit von mystisch begabten Frauen.

CHRISTIAN FELDMANN  in Liboriusblatt, 23/2003, Sonntagsblatt, 29. 06. 2003  und Unsere Kirche, 3.9.2003

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Zum 700. Geburtstag einer der herausragendsten Frauen des Mittelalters erscheint diese umfangreiche Biografie der etwas in Vergessenheit geratenen Birgitta von Schweden. Schiwy, Philologe und ehemaliger Verlagslektor, schildert – sehr gut recherchiert – das Leben und die innere Entwicklung der Mystikerin und 8fachen Mutter Birgitta sowie der Menschen , die sie beeinflußten. Dabei geht er ausführlich und mit vielen Details auf das historische und theologische Umfeld sowie die Lebensweise des 14. Jahrhunderts ein. So  entsteht ein ganz plastisches Bild dieser ungeheurer vielseitigen „Seherin  aus dem Norden“, die 1999 zur „Patronin Europas“ erklärt wurde. Den Text unterstützen zahlreiche kleiner Schwarz-Weiß-Abbildungen. Im Anhang findet sich ein reichhaltiges Literaturverzeichnis, eine Zeittafel und eine kleine Karte der Birgitta-Orte in Mittelschweden.

MARIA STEGERS in ekz bibliotheksservice, 3.7.2003

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Für den Autor Günther Schiwy [...] ist die Lebensgeschichte von Birgitta auch ein hervorragendes Zeugnis der im Mittelalter widersprüchlichen sexuellen Auffassungen. Einerseits war der Lehrsatz Augustins verinnerlicht, daß mit dem sündigen Geschlechtsakt die Sünde an die nachfolgende Generation weitergegeben wird. Andererseits bestand der Grundsatz „Seid fruchtbar und mehret euch“ aus dem Alten Testament. Dafür konnte Birgitta wie viele Mystikerinnen ihrer Zeit ihre Beziehung zu Gott auf eine sexuelle Ebene heben. Schiwy würdigt Birgitta, indem er sie zu den ganz großen der mittelalterlichen Frauengestalten zählt, die aber leider weitgehend in Vergessenheit geriet. Schiwy Biografie ist höchst detailliert und gut zu lesen.

Kirchenzeitung, 29. Juni 2003

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Mystikerin und Visionärin, Kritikerin und Schriftstellerin – das war Birgitta von Schweden (1303-1373), zu deren 700. Geburtstag Günther Schiwy jetzt eine opulente Biografie vorgelegt hat. [...] Günther Schiwy entwickelt in seiner beispielhaft umfassenden Darstellung auch ein vielschichtiges Zeitgemälde mit den wegweisenden Exponenten in Kunst und Wissenschaft. Er erläutert die dominanten Wertvorstellungen, unter anderem jene der Kirche, welche der sexuellen Enthaltsamkeit den Primat gegenüber ehelicher „Wollust“ einräumte und Eheleute wie Birgitta und Ulf dem Zwiespalt überlassen und sie in ihrem Hang zu Busse und Umkehr geprägt hat.

BEATRICE EICHMANN-LEUTENEGGER in Der Bund, 23.20[?]. 2003

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„Es ist immer“, sagt er, „eine persönliche Geschichte in ihrer jeweiligen Zeit, was mich heißlaufen läßt.“ Also machte sich der Steinebacher Theologe, Schriftsteller und langjährige Lektor des C.H.Beck-Verlags im Ruhestand auf, den Lebensspuren einer Mystikerin des späten Mittelalters und kanonisierten Heiligen, Birgitta von Schweden, nachzugehen, und zwar im wörtlichen Sinne. Er besuchte die Orte ihres Wirkens von Mittelschweden über eine Reihe europäischer Länder bis Rom, wo Birgitta 25 Jahre auf die Rückkehr des Papstes aus Avignon wartete, und folgte sogar der zu jener Zeit schon beinahe Siebzigjährigen auf ihrer letzten Pilgerfahrt nach Jerusalem. Da sei er allerdings nur bis Zypern  gekommen. Nach dem Thema seines jüngsten Buches hatte Schiwy nicht gesucht; er stieß unversehens darauf. „Als einem Menschen in seiner Zeit“ hatte er  zunächst dem französischen Priester, Philosophen und Biologen Teilhard de Chardin in einem Buch Konturen gegeben. „Das war das 20. Jahrhundert“, sagt er, „mit Eichendorff habe ich mich mit dem 19. Jahrhundert auseinander gesetzt, und dann stieß ich bei einer Reise nach Siena ins Mittelalter vor. Ich traf auf die Spuren der Mystikerin Katharina von Siena und wollte über sie schreiben. Aber es schob sich Birgitta davor – und so  hatte meine Frau, die Brigitte heißt, die Idee, ich sollte das Buch doch dieser ungewöhnlichen Frau widmen. („Sonst hat sich kaum jemand um sie gekümmert, weder die katholische noch die evangelische Kirche. Vielleicht hat sich keiner daran getraut“, sagt Schiwy.) Wir sind dann gemeinsam nach Schweden gereist, wo ich meine etwas naive Vorstellung vom frühen Christentum in Skandinavien gründlich revidieren mußte, und wir haben ein Großteil der Kathedralen besichtigt, wo Gemälde hängen, auf denen Birgitta  zu sehen ist oder in denen die Maler deren Visionen in ihren Bildern thematisiert haben.“ Denn auch das ist eine Erkenntnis, die Günther Schiwy gewonnen hat: „Es war die bildende Kunst, die dafür gesorgt  hat, daß sich das Wissen um die Visionen Birgittas oder anderer Mystiker so stark verbreitet  hat. Mathias Grünewald hat seine blonde Maria nach einer Vision Birgittas gemalt.“ Doch noch wichtiger scheint ihm eine Argumentation, die sich ihm im Verlauf der Recherchen zum Leben im ausgehenden Mittelalter, in dem Glaubens- und soziale Systeme wie auch das Ethos des Rittertums zu zerbrechen begann, geradezu angesprungen habe: „Die gesamte Kultur dieser Zeit im Bereich des Christentums, die wir heute so bewundern, hat ihre Quelle in dem von Augustinus postulierten Begriff der Erbsünde, in dem die Menschen sich gefangen fühlten. Kinder sollte geboren werden, damit Gott Seelen zugeführt werden, doch durften sie nicht in Lust gezeugt werden, da sonst das Kind schon die Erbsünde in sich trage. Diesem fürchterlichen Zwiespalte zu entkommen gelang nur über das Ablaßwesen, das Sühne in Aussicht stellte: Klöster und Kirchenbauten stiften oder als Pilger ins Heilige Land ziehen, wobei oft Haus und Hof verpfändet werden mußten.“ Auch Birgitta, aus herrschaftlicher Familie stammend und als Vierzehnjährige mit einem Landesfürsten verheiratet, mit dem sie acht Kinder hatte, sei ohne Zweifel dieser Überzeugung angehangen. Viele ihrer insgesamt rund 600 Visionen haben die Geburtsszene Christi  zum Inhalt. „Es kommen zahlreiche Details vor, und oft geht es darum, daß Tücher da sind, denn Birgitta hatte genug Erfahrung mit der Geburt“, stellt Schiwy fest, „aber Maria, die ja, so will es das Dogma, ohne körperliche Berührung ihren Sohn empfangen hatte, blieb jungfräulich und Jesus also frei von der Erbsünde.“ Freimütig und kritisch gegenüber einem immer mehr verkommenden Klerus sei Birgitta gewesen, aber in diesem Punk eben doch  ein Modell für irriges Denken.

INGRID Z IMMERMANN in Starnberger Süddeutsche Zeitung, 13. 1. 2004

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Wer in dieses Buch „eintaucht“, wird in eine ganz ferne Welt entführt und reibt sich überrascht die Augen, wenn er sich im 21. Jahrhundert umsieht mit seinen fundamentalistischen Strömungen und Gewalttaten... Ich habe bei dieser Lektüre mehr vom mittelalterlichen Christentum und der großen Befeiung der Reformation begriffen als aus manchen kirchengeschichtlichen Lehrbüchern. Die Verzahnung von Biographie mit den religiösen und politischen Visionen läßt eine Frau lebendig werden, die anders auftrat als die Katharina von Siena.

SIEGFRIED SUNNUS in Deutsches Pfarrer Blatt,  Mai/2004

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Zwei Aspekte zeichnen sich aber sofort ab, die dieser Biographie einen größeren Leserkreis sichern wird. Zum einen gelingt es Schiwy, in großer Ausführlichkeit einen lebendigen Eindruck von dieser höchst eindrucksvollen Frau zu entwickeln, zum anderen vermag er in geschickter Weise, den geistesgeschichtlichen Horizont abzuschreiten, vor dem Birgitta  zu verstehen ist. Die vielen scheinbaren Abschweifungen erweisen sich  somit als durchaus interessant, denn auch wenn es ungewiß sein mag, inwieweit die Mystikerin den Briefwechsel von Abaelard und Heloise, die großen Werke Dantes, Petrarcas und Boccaccios kannte, so  gehören sie doch wohl zum wesentlichen Kontext. [...] Für den nichtwissenschaftlichen Leser sind auch die vielen  weit ausholenden Bemerkungen historischer Art gedacht, die sich auf einzelne Städte, Mönchsorden, Kreuzzüge, Herrscher, Päpste etc. beziehen. Man muß anerkennen, daß es Schiwy gelungen ist, die Biographie Birgittas trotz der vielen Ausflüge in die Hintergründe und Nebenarme der historischen Ereignisse ihrer Zeit in lebendiger Weise zu entwerfen. Birgitta bleibt stets im  Zentrum der Abhandlung stehen, womit der rote Faden gegben ist, der wesentlich zum Erfolg dieser Darstellung beiträgt. Mit Befriedigung beobachtet man auch die große Anzahl von schwarz-weiß-Abbildungen und die nicht unbeachtliche Bibliographie.

ALBRECHT CLASEN in Mediävistik, 17/2004

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[...] Zu den gegenwärtig meist genannten Mystikerinnen gehört Birgit von Schweden nicht, obwohl sie der kürzlich verstorbene Papst Johannes Paul II. jüngst zusammen mit Katharina von Siena und Edith Sein  zur Patronin Europas  erklärt hat. So ist es gut, daß pünktlich zum 700. Geburtstag Birgittas eine genau recherchierte, sehr gut lesbare und einladend präsentierte Gesamtdarstellung von Leben und Werk dieser durchaus reformatorischen Christin erscheint. [...] Schiwy zeichnet  die einzelnen Schritte ihres Lebens, ihre Erfahrungen und Botschaften, ihre Initiativen und Einsprüche sensibel und kundig nach. Es ist gut, daß damit eine der  großen Gestalten der Christenheit aus einem Schattendasein befreit wird. Der männliche Autor zeigt  besondere Aufmerksamkeit für das Schicksal einer Frau in der Männerwelt. An Birgitta ist beispielhaft zu lernen, wie sehr Kirchenbindung und Kirchenkritik gleichursprünglich zum mystischen Weg gehören; denn je  radikaler sich der Christenmensch in der Nachfolge Jesu auf Gott allein verläßt, desto mehr verdankt er dies just jener Kirche, an deren realer Gestalt er leidet und die er – in Gottes Namen – kritisieren muß: Refomation an Haupt und Gliedern, in Kirche und eigner Biographie, stets mit der typisch katholischen Weite, in der es stehts – „für euch und  für alle“ – um das Wohl und Heil der Welt im Ganzen geht.

GOTTHARD FUCHS in Lupe, Heft 3-4/2005

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Was man mit der heiligen Birgitta anfangen kann

Zwei gute Sachbücher und ein verkorkster Roman
Von Ines Heiser

Die heilige Birgitta muss eine faszinierende Frau gewesen sein. Um 1303 als Tochter eines reichen und einflussreichen schwedischen Adeligen geboren und mit der schwedischen Königsfamilie verwandt, heiratete sie selbst mit Ulf Gudmarsson einen späteren "Lagman". Sie hatte acht Kinder, war aber gleichzeitig auch als Hofmeisterin der Gattin König Magnus Erikssons auf höchster Ebene politisch tätig; gemeinsam mit ihrem Mann unternahm sie ausgedehnte Pilgerreisen, unter anderem bis ins weit entfernte Santiago de Compostela. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1344 widmete sie sich ganz ihrer religiösen Berufung: Sie ließ schriftliche Aufzeichnungen ihrer Visionen erstellen und plante die Gründung eines neuen Ordens. Seit 1349 lebte sie in Rom, um dort die Anerkennung dieses Ordens zu bewirken, von dort aus setzte sie sich ausdrücklich für die Rückkehr des Papstes von Avignon in die heilige Stadt ein; gleichzeitig betreute sie in ihrem Haus Pilger aus dem Norden, Obdachlose und Arme.

In dieser Vita, die von ihrer Grundkonstellation her in gewissem Maße typisch für das Leben mittelalterlicher adeliger und religiös interessierter Frauen erscheint, zeichnen sich so deutlich zwei Phasen ab: Führte Birgitta zunächst das von einer Frau aus dem Hochadel erwartete, eher diesseitig orientierte Leben mit einer erfolgreichen Heirat, großer Familie und der Übernahme politischer Verpflichtungen, so war ihre zweite Lebenshälfte - ihre Witwenschaft - hauptsächlich auf ihre religiösen Interessen ausgerichtet. Dabei ist allerdings nicht zu vergessen, dass sie sich auch in dieser zweiten Lebensphase nicht in abgeschiedene Kontemplation zurückzog, sondern auch hier ihrer sozialen Stellung treu blieb und diese - oftmals erfolgreich - für ihre Ordenspläne ausspielte.

Auch nach ihrem Tod 1373 ging die Erfolgsgeschichte der Birgitta weiter: 1378 wurde der Birgittenorden offiziell von der römischen Kirche anerkannt, 1391 erfolgte auf Betreiben ihrer Tochter Katharina die Heiligsprechung, 1998 wurde sie zur Schutzpatronin Europas erklärt. Das von ihr gegründete Kloster Vadstena besteht bis heute als Pilgerzentrum.

Das Jubiläumsjahr der Birgitta - ihr siebenhundertster Geburtstag im Jahr 2003 - hat erneuten Anstoß dazu gegeben, sich mit dieser außergewöhnlichen Frau auseinander zu setzen. Auf je unterschiedliche Weise tun dies unter anderem die vorliegenden Bücher: ein biografischer Roman von Barbara Günther-Haug, eine Biografie von Günther Schiwy und eine wissenschaftliche Studie von Pavlina Rychterová zur Übersetzung der "Offenbarungen" ins Alttschechische.

Die Studie von Rychterová befasst sich in einem ersten Überblickskapitel mit der Entstehung der "Offenbarungen"; diese werden von ihr in erster Linie als "kollektives Werk" verstanden, an dessen Abfassung nicht nur Birgitta, sondern ebenso ihre jeweiligen Beichtväter Matthias von Linköping, Peter Olofsson von Alvastra und Peter von Skänninge sowie Alfonso Pecha, der Verfasser der abschließenden Redaktion, einen entscheidenden Anteil hatten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dann auf der Rezeption der "Offenbarungen" in Böhmen: Rychterová stellt den Verfasser der alttschechischen Auswahlübersetzung, Thomas von Štítné, vor; sie setzt sich mit den Interessen auseinander, die an die Verbreitung der "Offenbarungen" von verschiedener Seite geknüpft waren und bietet eine Edition sowohl der Lang- als auch der Kurzfassung der alttschechischen Übersetzung. Der Band ist ergänzt durch eine umfangreiche Bibliografie zum Thema, verschiedene Register erleichtern die Orientierung.

Während diese konzeptionell überzeugende und wissenschaftlich sorgfältig erarbeitete Untersuchung hauptsächlich für Philologen und Historiker von Interesse sein dürfte, wenden sich die beiden weiteren zu besprechenden Bände an ein breiteres Publikum.

So schreibt Günther Schiwy eine zwar wissenschaftlich fundierte, aber dennoch leicht lesbare und sehr ansprechende Biografie über Birgitta, die auch für einen Leserkreis ohne größere Fachkenntnisse zu den Themen mittelalterlicher Ordensgeschichte und Mystik geeignet ist. Seine Darstellung enthält viele Abbildungen, wie etwa Fotografien historischer Orte, die mit dem Leben der Birgitta verbunden sind, Reproduktionen von Gemälden, Buchmalereien und Holzschnitten oder auch schematische Zeichnungen, beispielsweise die der von Birgitta gegründeten Klosteranlage in Vadstena. Beigefügt ist ebenfalls eine Zeittafel zum Leben Birgittas und eine Karte der wichtigsten Birgitta-Orte in Mittelschweden, auch eine Bibliografie mit weiterführender Literatur zu Birgittas Leben und Werk fehlt nicht.

Als Grundlage für seine Ausführungen benutzt Schiwy in erster Linie die "Offenbarungen", aus denen er auch häufig zitiert - diese sehr quellenorientierte Herangehensweise ist für die Biografie in ihrer Gesamtheit ein großer Gewinn. An einigen Stellen wäre allerdings zu fragen, ob Schiwy nicht manchmal zu vertrauensvoll und unkritisch an seine Quelle herantritt um sich eine intimere Innensicht auf das Leben Birgittas zu erschließen, etwa wenn er eine der Visionen Birgittas mit der Darstellung einer Seele im Fegefeuer als "autobiographische Schrift" und "Selbstdarstellung" ihres Ehemannes Ulf Gudmarsson interpretiert. Möglicherweise gehen Inhalte der Rede der verstorbenen Seele tatsächlich auf Biografisches aus dem Leben Ulfs zurück; da es sich aber bei den "Offenbarungen" um einen stark rhetorisch stilisierten, offen interessegeleiteten und in seiner Gesamtheit auf mehrere Urheber zurückgehenden Text handelt, der eben nicht in erster Linie der individuellen Selbstdarstellung dient, sondern vor allem Kritik an Missständen üben und zu frommer Lebensweise anleiten soll, sind auf dieser Grundlage direkte Rückschlüsse auf das Innenleben der mittelalterlichen Personen keinesfalls möglich oder zulässig.

Abgesehen von solchen kleineren "Schönheitsfehlern" handelt es sich indessen bei Schiwys Biografie um einen gut recherchierten und detailreichen Text. Durch Untergliederung in kurze Kapitel, denen jeweils eine den Inhalt referierende Überschrift beigefügt ist, wirkt der insgesamt sehr umfangreiche Band übersichtlich und benutzerfreundlich; alle Informationen, die nicht den "Offenbarungen" entnommen sind, beruhen auf fundiertem und sorgfältigem Quellenstudium, so dass dieses Buch gerade als erste Einführung in eine intensivere Beschäftigung mit der Mystikerin zu empfehlen ist.

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Quelle: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=8230&ausgabe=200507