Rezensionen zu
Eichendorff. Der Dichter in seiner Zeit. Eine Biographie.

 

"Schiwy hat alles Erreichbare zusammengetragen und mit imponierender Detailkenntnis um das angereichert, was die Geschichtswissenschaft zu ergänzen weiß.[...] Er verzichtet auf einen neuen Eichendorff-Mythos. Je nach Standpunk kann man ihn dafür loben oder tadeln."

HERMANN KURZKE in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 17. Oktober 2000.

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"Daß ein solches unspektakuläres Leben dennoch ergreifende Ergebnisse zeitigen kann, davon berichtet Günther Schiwys Eichendorff-Biografie [...] Schiwys Verdienst ist es, dass er Eichendorff als Gesamtpersönlichkeit vor uns erstehen lässt. Nicht nur der sogenannte Romantiker, der Autor so vieler wunderbar einfacher, zu Herzen gehender Gedichte und Prosastücke, wird vorgestellt, sondern auch der Essayist, der Romancier, der Zeitgeist-Kritiker Eichendorff, der den Gefühlsüberschuß der deutschen Romantik, die von Anfang an Gefahr lief, sich zu ihrer eigenen Kultveranstaltung aufzubauen, schon frühzeitig mit feinem Spott bedachte. [...] Auch ihn bringt uns Schiwy näher: den kritischen, wirklichkeitsnahen Eichendorff, einen hellsichtigen Dichter und Denker, der Abstand hielt zu den Philosophen seiner Zeit [...]. Ja, die Gottesfrage. Sie hat Eichendorff nicht losgelassen, und sie ist, bis auf den heutigen Tag, das Unzeitgemäße an einem wieder zeitgemäßen Dichter Eichendorff geblieben. Auch von ihr spricht Schiwys Biographie, und sie tut es respektvoll und einfühlsam. Überhaupt geht der Autor liebevoll mit seinem Dichter um, ohne sich deshalb zur Kameraderie hinreißen zu lassen [...]. Schiwy gibt dem Freiherrn von Eichendorff Raum, lässt ihn zu Wort kommen, bietet Fakten und Deutungen an, die bekannten ebenso wie die weniger bekannten, und er erzählt ein Leben, das auch im fortgeschrittenen Alter noch wahrhaft jugendbewegt war.[...] Daß wir uns an Eichendorff nicht nur erinnern, sondern ihn wieder lesen sollten, auch das ist aus Günther Schiwys kenntnisreichem Buch zu lernen [...]."

OTTO A. BÖHMER IN DER "Süddeutschen Zeitung" vom 4./5. November 2000

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"Für den Genie-Kult, der unseren Begriff vom romantischen Dichter so lange bestimmte, eignete sich die vermeintliche Normalität dieser Existenz mit ihren Beengtheiten kaum. Keine Rede von rauschenden Leidenschaften oder pikanten Affären nach der Heirat. Indes, Schiwy korrigiert zugleich das überkommene Bild des selig-naiven, ewig-jungen und weltflüchtigen Waldgängers, der sich ganz den Schwingungen seiner Seele hingab, durch einen ruhigen Blick auf das imposante Gesamtwerk des Dichters, der in den historischen und theoretischen Schriften der späteren Jahre kritischen Abstand zu seiner Epoche sucht und fand. [...Schiwys] Eichendorff-Buch ist ein Geschenk, zu dem wir ihm und uns gratulieren können."

KLAUS HARPPECHT in "Die Zeit" vom 4. Januar 200l

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"Vor allem aber liegt Schiwy am Herzen, Eichendorff vom 'Geruch des Reaktionärs' und 'kindlich gläubigen Katholiken' zu befreien und ihn als 'kämpferische Persönlichkeit' zu zeichnen, darzustellen als 'satirischen Kritiker' und 'ökumenisch orientierten Christen'. Das ist zwar sympathisch, indes nicht so ganz überzeugend gelungen."

ECKART KLESSMANN in "Die Welt" vom 10. Februar 2001

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"Eine Biographie, die den Schlesier nicht nur als Heimatdichter vorstellt, sondern den historischen und politischen Kontext zeigt, das Widrige, die Konflikte, das Ungelöste in seinem Leben, war seit langem ein Desiderat. Schiwy schildert auf kenntnisreichem geschichtlichem Hintergrund das Leben und Werk Eichendorffs. Er zeigt seine poetische Lebenssuche, die studentischen Einflüsse in Halle, Jena, Heidelberg, Wien, die Bedingungen des Landlebens und die unglückliche Güterverwaltung des Vaters, die Familien- und Berufsgeschichte, schließlich den Frühpensionär, der sich der Würdigung der katholischen Romantik widmet. Schiwy breitet ein so noch nie versammeltes Material aus dem Werk, den Briefen, aus zeitgenössischen Dokumente aus. Er blickt nicht nur auf die zeitgenössischen Auseinandersetzungen in Politik, Literatur, Philosophie, Verwaltung, nicht nur auf die Neuordnung Europas unter Metternich, sondern auch auf die Veränderung in den schlesischen Landgütern. Die Darstellung folgt den biographischen und zeitgeschichtlichen Daten. Zahlreiche Querverweise und Ausblicke erweitern die lineare Darstellung zu einer Art Feldbeschreibung des romantischen Dichters im preußischen Aufklärungszeitalter. Eine Fülle von Details lassen Zeit und Person plastisch erscheinen. [...] Wer sich auf das 700seitige Werk einlässt, wird reich belohnt. Wie Schiwy das überreiche Material aufgefunden, zusammengetragen und strukturiert hat, das ist bewundernswert. Jeder, der sich hinfort mit Eichendorff beschäftigt, sei es literaturgeschichtlich, heimatgeschichtlich, als Liebhaber der Romantik oder als Interessent für die Geschichte des deutschen Katholizismus, ist auf diese Biographie angewiesen."

PAUL KONRAD KURZ in "Stimmen der Zeit", Februar 2001

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"Weil Schiwy seinen Protagonisten in seiner Zeit und vor einem eindrucksvollen und zu lange vernachlässigten Gesamtwerk entwickelt, wird er diesem hoffentlich eine neue Leserschaft zuführen. Leserfreundlich ist Schiwys Unternehmen allemal. So verzichtet der Autor auf Fußnoten und kommentiert, wo immer nötig, die umfangreichen Zitate mit stupender Gelehrsamkeit an Ort und Stelle. Daraus ergibt sich eine Vernetzung von mehreren Ebenen, welche die Lektüre zu einem Erlebnis werden lässt."

HERIBERT HOVEN in "literaturkritik" vom 9. April 2001

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"Schiwy endet seine Betrachtung des Taugenichts mit dem Hinweis, er sei 'schließlich auch eine Hommage an Wien, an die Donau, an Eichendorffs zweite Heimat Österreich' (S. 452), aber ohne jede Beschwörung österreichisch-theatralisch-musikalischer Atmosphäre; er dient vielmehr als autobiographischer Beleg. Seine Leser erfahren zunächst etwas über Einflüsse – Brentano und Arnim – [...], dann über die durch Zitate illustrierte 'Gesinnung' der Novelle, mit der sich Eichendorff davor bewahrt habe, 'ein Philister zu werden': Frömmigkeit nämlich. Die Frömmigkeit des Taugenichts, zugleich das Frömmigkeitsideal Eichendorffs, sei aber selbstverständlich keine Kirchenfrömmigkeit 'im Sinne gewisser Aufklärer', so Schiwy, auch keine 'traditionelle barocke Kirchenfrömmigkeit', sie finde sich vielmehr ausgedrückt in des Taugenichts 'ewigem Sonntag im Gemüt', einem Schlüsselwort der 'neuen, romantischen Theologie, wie sie sich gerade in der später so genannten 'Tübinger Schule' herausbildet.' Was Schiwy interessiert sind Einflüsse, historische Kontexte, Tendenzen, Ideen, ist vor allem Eichendorffs Religiosität. [...Er] informiert umfassend und gründlich über die Prosa seines [Eichendorffs] Lebens, das finanziell bedrängter und mühseliger war, als man bisher wusste. [...] Schiwy zitiert ausführlich aus den Quellen, Eichendorffs interessanten Tagebüchern, Gedichten, Texten, amtlichen Schriften, den Werken von Zeitgenossen.[...] Als Arbeitsleistung imponiert Schiwys Biographie, die allein durch den Reichtum des hier ausgebreiteten Materials der Forschung von großem Nutzen sein wird."

URSULA NAUMANN in Aurora. Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft für die klassisch-romantische Zeit,
Nr. 61, Stuttgart 2001, S. 184-186

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Aus der Amazon.de-Redaktion
Drei große deutsche Dichter sind im Jahr 2000 mit bemerkenswerten Monografien gewürdigt worden: der Klassiker Schiller und die beiden Romantiker Brentano und Eichendorff. So verschieden die Persönlichkeiten der Künstler, so unterschiedlich auch der Duktus dieser Biografien.

Schiwys umfangreiche Arbeit -- die erste ernst zu nehmende Eichendorff-Biografie seit beinahe 80 Jahren -- bildet freilich insofern eine Ausnahme, als sie einen Künstler porträtiert, der selbst für seine eigene Zeit seltsam unzeitgemäß wirkt. Das mag weniger daran liegen, dass Eichendorff einem Brotberuf nachging und sich als treu sorgender Vater um die Familienpflichten kümmerte -- also in seinem Alltag auf geradezu irritierende Weise wie ein bodenständiger Philister erscheint. Auch die Distanz zu Künstlerkreisen (wo man sich in Freundschaftsbünden zusammenschloss und einander ewige Treue schwor) wie auch zu zeitgenössischen Philosophen seiner Zeit (allen voran Schelling, Fichte und Hegel) erscheint auf den ersten Blick befremdlich. Ist es daher nicht die denkbar größte Herausforderung für einen Biografen, über einen Menschen zu schreiben, der Zeit seines Lebens wenig Aufsehen erregte und uns dennoch solch geheimnisvolle Verse vermacht hat?

Schiwy meistert diese Herausforderung, indem er Eichendorffs Persönlichkeit respektvoll widerzuspiegeln sucht. So lesen wir nicht von einem traumverlorenen Künstler, sondern von einem träumerischen Beamten, der dem Alltag zu entfliehen versucht, indem er tiefer blicken möchte. Dieser hoch sensible Blick für das Wesentliche wird jedoch nicht nur durch die unzähligen wundervollen Gedichte exemplifiziert (zu deren Lektüre man sich nach dieser Biografie umso mehr inspiriert fühlt), sondern auch durch Passagen, in denen Eichendorff als Romancier, aber auch -- wie es der Untertitel verspricht -- als Kritiker des Zeitgeistes vorgestellt wird.

Eine "Gefahr" freilich besteht in einer derartigen Schilderung: die nämlich der Entmystifizierung. Denn Eichendorffs Vita scheint der spektakuläre Stoff, aus dem die Leben anderer berühmter Romantiker gewebt sind, in der Tat gänzlich zu fehlen. Umso schwerer zu glauben ist es -- gerade nach der Lektüre von Schiwys Monografie -- dass eine Person ohne jegliche Brüche, mit einer Biografie, die linearer nicht sein konnte, fähig gewesen sein sollte zu derart vollkommenen poetischen Höchstleistungen.

Kristina Nenninger auf Amazon.de